REGISTER NO. 2 VORWORT
Eric Le Moine, Mercedes-Benz Museum – Stuttgart – Germany 2012
Eric Le Moine
Sechs Jahre nach der ersten Auflage freut es mich die zweite Ausgabe dieses ”Mercedes-Benz 300 SL
Coupé / Gullwing Register“ zu präsentieren.
Nachdem Hans Hürlimann 1981 für den Deutschen Mercedes-Benz 300 SL Club 100 Exemplare seines Registers gedruckt hat, hat er mir 2006 angeboten, seine Arbeit weiter zu führen. Für dieses Vertrauen bedanke ich mich sehr.
Ich habe viele Besitzer, Sammler oder Liebhaber dieses mythischen Modells getroffen, die mir mit großer Begeisterung Geschichten und Details erzählt haben. Unsere Gespräche hätten noch stundenlang weitergeführt werden können.
Im Jahr 2010 traf ich Michael Bock bei der "Le Mans Classic". Ich bat ihn, mich bei der Weiterführung dieses Abenteuers zu unterstützen und die Glaubwürdigkeit des Registers mit wichtigen Details aus den Archiven zu untermauern.
Nach einer unglaublichen Archiv Arbeit von Jürgen Wittmann, Gerhard Heidbrink und dem Archiv Team von Mercedes-Benz Classic, darf ich Ihnen ein neues illustriertes Register vorstellen. Ich hoffe dieses Werk wird helfen, meine Leidenschaft für dieses einzigartige Auto mit Ihnen zu teilen.
Viel Spass beim Lesen,
Eric Le Moine
Michael Bock, Leiter Mercedes-Benz Classic
Michael Bock
Liebe Leser, der 300 SL „Gullwing“ ist eines der faszinierendsten und wichtigsten Fahrzeuge der Automobilgeschichte.
Dazu tragen nicht nur die Rennsportwurzeln des Hochleistungssportwagens, sondern auch seine
atemberaubend schöne Form mit den außergewöhnlichen Flügeltüren bei.
Die Fachpresse äußert sich seit 1954 enthusiastisch, und der „Flügeltürer“ war von Beginn an ein
ausgesprochenes Liebhaberstück. Schon bald bildeten sich Fanclubs, die sich auf dieses faszinierende
Modell
spezialisierten.
Enthusiasten, die der 300 SL ganz besonders in seinen Bann gezogen hatte, gaben 1978 die ersten Register
heraus und veröffentlichten für die Mitglieder ihrer Clubs Zusammenstellungen der 1400 gebauten
Fahrzeuge mit den wichtigsten Auslieferungsdaten und einer Historie ihrer Besitzer.
Eric Le Moine hat sein Register im Jahr 2006 einem größeren Interessentenkreis zugänglich gemacht. Mit
der
hier vorliegenden zweiten Auflage beginnt eine neue Phase: Die Neuauflage enthält eine Vielzahl neuer
und
aktualisierter Informationen, und das von Eric Le Moine zusammengetragene Bildmaterial ergänzt das Werk
um eine weitere Dimension.
Damit reflektiert das Register das anhaltend hohe Interesse und die steigenden Ansprüche der Sammler,
was
die Qualität, Originalität und individuelle Geschichte der Fahrzeuge angeht. Zugleich vermittelt es
Transparenz als Basis für Authentizität – Attribute, die nicht nur in der Sammlerszene hoch gehandelt
werden, sondern auch zu den zentralen Werten von Mercedes-Benz Classic gehören.
Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Thema Originalität. In Anbetracht der Wertentwicklung des
W 198 und der limitierten Anzahl der produzierten Fahrzeuge ist es umso wichtiger für Transparenz zu
sorgen. Hierbei hilft das vorliegende Register entscheidend.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich dem 300 SL Register eine erfolgreiche Zukunft. Ihnen, liebe Leser,
wünsche ich viele interessante Erkenntnisse und viel Freude beim Blättern und Betrachten. Lassen Sie
sich
immer wieder aufs Neue begeistern – vom 300 SL, einem der faszinierendsten und wichtigsten Fahrzeuge
der Automobilgeschichte.
Mit besten Wünschen,
Michael Bock
Leiter Mercedes-Benz Classic
REGISTER NO. 2 EINFÜHRUNG
Mit der Präsentation des 300 SL auf der Motor Sports Show in New York verblüffte Mercedes-Benz im Februar 1954 Fachwelt und Öffentlichkeit gleichermaßen. Zwei Jahre zuvor hatte die Marke mit dem Stern bereits für Furore gesorgt, als sie ihren ersten Rennsportwagen nach Ende des Zweiten Weltkriegs präsentierte.Der 300 SL Rennsportwagen war auf Anhieb erfolgreich: Seine Rennpremiere im Mai 1952 führte zu einem zweiten Platz bei der Mille Miglia, dem legendären 1000-Meilen-Rennen durch Italien. Es folgten vier Siege bei vier Rennen, darunter zwei Doppelsiege, ein Dreifachsieg und ein Vierfachsieg. Die Rennerfolge, insbesondere der Doppelsieg bei der strapaziösen Carrera Panamericana über mehr als 3000 Kilometer durch Mexiko, hatte den Mercedes-Benz Generalimporteur für die USA auf den Plan gerufen. Max Hoffman schaffte, was keiner für möglich gehalten hatte: Er überzeugte den Daimler-Benz Vorstand in Stuttgart, den 300 SL als Seriensportwagen auf den Markt zu bringen.
Die markanten Flügeltüren, eine direkte Folge des innovativen Gitterrohrrahmens, brachten dem auffälligen Fahrzeug die Bezeichnung „Flügeltürer“, „Gullwing“ oder „Papillon“ ein und machten ebenso Furore wie die atemberaubenden Fahrleistungen. Ein echter Meilenstein ist der W 198, wie der 300 SL Seriensportwagen intern genannt wird, auch wegen seiner innovativen Benzineinspritzung. Als erstes Serienfahrzeug mit Viertaktmotor verfügte er über die zukunftsweisende, leistungs- und effizienzsteigernde Technologie zur Gemischaufbereitung.
Die Fachpresse zeigte sich begeistert. Im Januar 1955 schrieb der britische Journalist John Bolster in „Autosport“:„The Mercedes-Benz 300 SL is a car of beautiful appearance and almost incredible performance. Its construction and finish are of the very highest class, and its whole design represents a technical tour de force. It has perfect traffic manners, and the sheer joy of handling it on the open road has to be experienced to be believed. There are other cars which are kinder to the less experienced driver, but for the man who is competent to exploit its full performance, this is one of the world's greatest cars.“
Auf dem Genfer Automobil-Salon im März 1957 wurde als Nachfolger des „Gullwing“ eine Roadster-Version des Hochleistungssportwagens vorgestellt, für die Max Hoffman auf dem US-Markt gute Absatzchancen sah. Eine Weiterentwicklung des Gitterohrrahmens hatte die Verwendung regulärer Türen, die Grundvoraussetzung für eine offene Variante, ermöglicht.
„Gullwing“ oder Roadster? Welche der beiden Varianten des 300 SL die attraktivere ist, das ist letztlich vor allem eine Frage des individuellen Geschmacks. Dass die Faszination des 300 SL „Flügeltürers“ bis heute ungebrochen ist, belegt nicht nur seine Wahl zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ durch eine internationale Jury im Dezember 1999; auch die anhaltend hohe Wertschätzung auf dem Sammlermarkt zeigt dies mehr als deutlich.
Chefredakteur Heinz Ulrich Wieselmann bringt den Charakter des 300 SL in der bereits zitierten Ausgabe von „auto, motor und sport“ auf den Punkt: „Der SL ist ein Sportwagen mit allen Attributen eines Luxusfahrzeugs, mit geradezu unglaublich hohen Fahrleistungen und gleichzeitig gepflegtesten Großstadtmanieren - ein Musterbeispiel des Könnens und technischen Geistes der ältesten Automobilfabrik der Welt. Er ist ein gefährliches Auto - gefährlich in dem Sinne, wie eine Liebe gefährlich sein kann oder ein edles Tier, das man gezähmt hat, ohne seinen Willen zu brechen. Unter den Sportwagen unserer Zeit ist der Mercedes-Benz 300 SL der kultivierteste und der faszinierendste - ein Traum von einem Auto.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Noch enthusiastischer äußerte sich Chefredakteur Heinz Ulrich Wieselmann im Oktober 1955 in „auto, motor und sport“: „Dies ist in der Tat eines der erstaunlichsten Autos, die jemals irgendwo in der Welt in Serie gebaut wurden. Es ist die Geschichte eines reinrassigen Sportfahrzeugs, das aus den Bauelementen einer nicht einmal übermäßig temperamentvollen Repräsentations-Limousine entstand und auf den Rennstrecken zweier Kontinente Furore machte, als es die Konkurrenz distanzierte. Das war 1952; der SL verschwand nach einer überaus erfolgreichen Rennsaison, und es vergingen mehr als zwei Jahre, bis er plötzlich als kultivierter, dabei in seiner Motorleistung noch um 25 % verstärkter Sportwagen wieder erschien, der nun serienmäßig gebaut wird. Ein Rennsportwagen? Die Männer der Mercedes-Rennabteilung nennen ihn ein „Baudoir auf Rädern“. Man kann mit ihm beinahe lautlos über die Boulevards im Radfahrertempo flanieren - im selben direkten Gang, mit dem er mühelos die Geschwindigkeit eines Sportflugzeugs erreicht. [...]“
Der 300 SL wurde schnell zum Traumsportwagen schlechthin – von vielen bewundert, doch nur von wenigen gefahren. Weite Verbreitung verhinderte der Preis von 29.000,- DM, für den man 1954 immerhin sechs VW 1200 „Export“ oder drei Mercedes-Benz 180 bekommen konnte. Dennoch waren bis Ende Dezember 1955 bereits mehr als 1000 Fahrzeuge vom Band gelaufen, von denen 930 exportiert wurden – ein selbst für die exportstarke Marke mit dem Stern bemerkenswert hoher Anteil. Insgesamt entstanden von August 1954 bis Mai 1957 in Sindelfingen 1.400 Exemplare, davon 29 mit Leichtmetall-Aufbau und ein Versuchsfahrzeug mit Kunststoffkarosserie. Die rund 70 Kilogramm leichteren Leichtmetall-„Flügeltürer“, ursprünglich für Kunden mit Motorsport-Ambitionen entwickelt, haben wegen ihres exklusiven Charakters heute einen ganz besonderen Status.
Ob mit Stahlbleck- oder Leichtmetallkarosserie: Der 300 SL Seriensportwagen war auch im Motorsport durchaus erfolgreich: John Fitch / Kurt Gessl verhalf er zum Sieg in der GT-Kategorie bei der Mille Miglia im Mai 1955, und im gleichen Jahr gewann Werner Engel auf 300 SL die Rallye-Europameisterschaft. In den USA wurde Paul O’Shea 1955 mit einem „Gullwing“ Sportwagen-Meister der Klasse D in der nationalen Sportwagen-Meisterschaft. 1956 konnte er diesen Triumph wiederholen. Auch bei der strapaziösen Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich über mehr als 5000 km erzielte der 300 SL zwei Siege: 1955 mit dem belgischen Team Olivier Gendebien / Pierre Stasse und im Folgejahr mit Willy Mairesse / Willy Génin, ebenfalls aus Belgien.